Erstmals Therapieeffekt bei sekundär progredienter Multipler Sklerose

Im Gegensatz zu anderen Formen der Multiplen Sklerose existiert für die sekundär progrediente Multiple Sklerose bis jetzt keine nachgewiesen wirksame Therapie. Nun zeigt eine federführend am Universitätsspital Basel gestaltete Phase III-Studie erstmals eine mögliche Behandlungsoption auf. Die Studie konnte nachweisen, dass das Medikament Siponimod geeignet ist, das Fortschreiten der sekundär progredienten Multiplen Sklerose aufzuhalten. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "The Lancet" publiziert.

In den vergangenen Jahren konnten in der Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) bedeutsame Fortschritte erzielt werden. MS ist eine chronische und entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die vor allem junge Erwachsene befällt. Menschen mit einem schubförmigen MS-Verlauf haben, wenn sie rasch nach den ersten Anzeichen der Krankheit diagnostiziert und konsequent mit den heute verfügbaren Medikamenten behandelt werden, sehr gute Aussichten auf ein weiteres Leben ohne oder mit nur geringen Beeinträchtigungen.

Eine Ausnahme ist die sekundär progrediente Phase der MS, die bei der Mehrheit der MS-Betroffenen nach durchschnittlich 15 bis 20 Jahren Krankheitsverlauf auftritt. Bei Menschen mit sekundär progredienter MS schreitet die Behinderung (mit wenigen oder gar keinen Schüben) kontinuierlich fort, und es existiert bisher keine Behandlung, welche eine Zunahme der Behinderung erwiesenermassen aufhalten kann.

Nun aber konnte für die Behandlung der sekundär progredienten MS erstmals die Wirksamkeit eines Medikaments nachgewiesen werden. Dies geht aus einer klinischen Phase III-Studie hervor, die federführend am Universitätsspital Basel (USB) gestaltet wurde und soeben in der renommierten britischen Fachzeitschrift "The Lancet" publiziert wurde. Die Studie zeigt, dass das Medikament Siponimod wirksam ist, das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten. Siponimod gehört zur Gruppe der S1P-Modulatoren und wird als Tablette verabreicht.

Zunahme der Behinderung tritt weniger häufig auf

Die kontrollierte Therapiestudie wurde von Novartis finanziert und schloss in 31 Ländern 1‘645 Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener sekundär progredienter MS ein. Es handelt sich um die erste grosse klinische Studie überhaupt, welche die Wirkung eines Medikaments auf die Zunahme der Behinderung bei MS-Betroffenen in der sekundär progredienten Phase der MS untersucht hat. Das internationale Forschungsteam unter der Leitung von Ludwig Kappos, Chefarzt Neurologische Klinik und Poliklinik am USB und Professor an der Universität Basel, verglich die Wirksamkeit von Siponimod mit einem äusserlich nicht unterscheidbaren Scheinmedikament.

Es zeigte sich, dass nach einer mittleren Behandlungsdauer von 18 Monaten mit Siponimod behandelte Patienten im Vergleich zu Placebo zwischen 21 und 26 Prozent weniger häufig eine bestätigte Behinderungsprogression erlitten. Auch die in der Magnetresonanztomografie gemessene Zahl der Krankheitsherde sowie die Abnahme des Hirnvolumens waren unter Siponimod signifikant geringer. Insgesamt war das Medikament gut verträglich und zeigte ähnliche Nebenwirkungen wie ein anderer, bereits für die Behandlung der schubförmig verlaufenden MS zugelassener S1P-Modulator (Fingolimod).

Besonders bemerkenswert ist am Studienergebnis, dass die Mehrheit der Behandelten bereits länger an MS erkrankt (im Durchschnitt 16 bis 17 Jahre) und schon bei Beginn der Behandlung deutlich behindert war. So war mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten bereits zu Beginn der Studie nicht in der Lage, ohne Hilfe zu gehen.

Artikelfoto: Patrik Tschudin (CC BY 2.0)