Schweizer Immobilienmarkt kühlt sich wieder ab

(Bildquelle: infoticker)

Nach einem Anstieg des Risikos für eine Immobilienblase im letzten Jahr hat sich die Lage wieder weitestgehend abgekühlt. Im neusten Immobilienreport der ETH Zürich und des Internet-Vergleichsdienstes "comparis.ch" wurde erneut kein Bezirk als "kritisch" eingestuft. In drei Bezirken (Dielsdorf,...

Im aktuellen Immobilienreport der ETH Zürich und des Internet-Vergleichsdienstes "comparis.ch" flossen die Daten von über 1,5 Millionen Kaufinseraten für Häuser und Wohnungen in die Analyse ein, die von 2005 bis Ende Juni 2016 auf "comparis.ch" angezeigt wurden. Nachdem die Blasengefahr in einigen Gebieten letztes Jahr wieder gestiegen war, scheint sich der Markt beruhigt zu haben.

Keine Bezirke als "kritisch" oder "zu überwachen" eingestuft

Im Gegensatz zum letztjährigen Bericht wurden in keinem Bezirk deutliche Anzeichen einer Immobilienblase festgestellt - es wurden keine Bezirke als "kritisch" oder "zu überwachen" eingestuft. Erstmalig wurden aber 13 Bezirke als "zu beobachten" eingestuft. Besonders aufgefallen waren letztes Jahr Bülach, Thun, Luzern, Sursee und Aarau, weil sich der Markt dort regional leicht erhitzt hatte.

Inzwischen konnten alle diese Bezirke in die Kategorie "zu beobachten" abgestuft werden und zeigen somit - trotz des anhaltenden, leichten Aufwärtstrends bei den Quadratmeterpreisen für Wohnungen - momentan keine Anzeichen einer Immobilienblase mehr. Dennoch gibt es noch keine Bestätigung, dass sich der Markt in diesen Gebieten erholt hat.

Entwarnung in den Bezirken Dielsdorf, March und Locarno

Eine Veränderung der Preisentwicklung der Angebotspreise konnte bei den zuvor als "zu beobachten" eingestuften Bezirken Dielsdorf, March und Locarno festgestellt werden. Die Angebotspreise haben sich nach einer längeren Phase der Erhöhung nun stabilisiert und sind während einiger Quartale sogar leicht gesunken. Deshalb kann in diesen Gebieten Entwarnung gegeben werden; dort hat sich der Markt vorläufig erholt.

Die Angebotspreise für Wohnungen sind in Genf (Kanton) und Zürich (Stadt) im letzten Jahr relativ konstant geblieben. Eine solche "Preisstagnation" lässt sich in zwei Dritteln der Bezirke feststellen; dort betrug der Anstieg der Angebotspreise im Vergleich zum letzten Jahr weniger als 5 Prozent. "Trotz der tiefen Hypothekarzinsen und des starken Frankens scheint sich der Schweizer Immobilienmarkt im Moment abgekühlt zu haben" stellt Didier Sornette, Professor für Entrepreneurial Risks an der ETH Zürich fest und ergänzt: "Dies wird durch die Abstufung der drei Bezirke Dielsdorf, March und Locarno verdeutlicht."

Vier Zustände

"Idealerweise zögert man einen geplanten Immobilienkauf in den Bezirken, die als "zu beobachten" eingestuft wurden, noch hinaus. Dort kann nämlich mit einer leichten Preissenkung gerechnet werden", erklärt Michael J. Kohlas, Immobilien-Experte von "comparis.ch" und fügt an: "In den Gebieten mit einer Preisveränderung kann man einen Kauf grundsätzlich empfehlen."

Bei der Risikoanalyse unterscheidet der Immobilienreport vier Zustände von Bezirken, wobei ein Bezirk je nach Anzeichen einer Immobilienblase und je nach Datengrundlage von einem Zustand in einen anderen wechseln kann (siehe Methode). Dabei erlaubt der Report Aussagen zu einzelnen Typen und Grössen von Immobilien, zum Beispiel zu kleinen Wohnungen oder mittelgrossen Häusern. Das Modell dieser Studie beruht nicht auf den absoluten Preisen, sondern auf der Preisdynamik und besonders auf einem Preisanstieg, der schneller als exponentiell verläuft.

  • "Kritisch": Zum vierten Mal seit Anfang 2013 stuft der Immobilienreport keinen einzigen Bezirk als "kritisch" ein. Damit zeigt die Dynamik der angebotenen Verkaufspreise auch in der zweiten Jahreshälfte 2016 in keinem der Schweizer Bezirke Anzeichen einer spekulativen Blase.
  • "Zu überwachen": Erstmals wurde kein Bezirk als "zu überwachen" eingestuft, was bedeutet, dass nirgends schwache Anzeichen einer Immobilienblase auszumachen sind. In den fünf Bezirken, die im letzten Jahr als "zu überwachen" eingestuft wurden, hat sich die Lage beruhigt; sie werden aktuell als "zu beobachten" eingestuft.
  • "Zu beobachten": Insgesamt wurden 13 Bezirke als "zu beobachten" eingestuft. Im Vergleich zum letzten Immobilienreport im Q2 2015 wurden die fünf Bezirke Bülach, Thun, Luzern, Sursee und Aarau neu als "zu beobachten" eingestuft, wobei in Sursee und Aarau nicht nur der Wohnungs- sondern auch der Häusermarkt betroffen ist. Dies zeigt, dass sich die Situation in diesen Gebieten wieder ein wenig entspannt hat. Fünf Gebiete in der Region Zürich und Zürichsee verbleiben im Vergleich zum letzten Jahr in der Kategorie "zu beobachten": Hinwil, Horgen, Pfäffikon, See-Gaster und Uster. Auch Hochdorf, Lenzburg und Monthey bleiben zu beobachten.
  • "Veränderung der Preisentwicklung": Im Gegensatz zur letzten Analyse kann in den Bezirken Dielsdorf, March und Locarno Entwarnung gegeben werden. Diese Bezirke wurden vorgängig vom Status "zu beobachten" heruntergestuft. Der Markt hat sich in diesen Gebieten erholt und es sind keine Anzeichen einer Blase zu erkennen.

Immobilienmarkt bleibt weitestgehend stabil

"Grundsätzlich ist der Schweizer Immobilienmarkt zwei sich konkurrenzierenden Kräften ausgesetzt. Während die Nachfrage im Immobilienmarkt durch das niedrige Hypothekarzinsumfeld und die wachsende Bevölkerung angekurbelt wird, dämpfen Faktoren wie verschärfte Vergabekriterien für Hypotheken und die wachsende Arbeitslosenzahl die Nachfrage", erklärt ETH-Professor Sornette und schlussfolgert:

"Das Zusammenspiel dieser Faktoren führt dazu, dass sich die Angebotspreise von Immobilien und die Inflationsrate nicht in zwingender Abhängigkeit voneinander verhalten. Trotz der extrem niedrigen Hypothekarzinsen sowie der instabilen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage in Europa kann man davon ausgehen, dass der Schweizer Immobilienmarkt weitestgehend stabil bleibt. Es empfiehlt sich aber, allfällige Folgen des BREXIT, der Durchsetzung der Masseneinwanderungsinitiative oder ähnlicher Ereignisse im Auge zu behalten, da diese Veränderungen im Immobilienmarkt hervorrufen könnten".

Methode des Immobilien-Reports von der ETH Zürich und "comparis.ch"

In die Berechnung flossen die Daten aus 1'570'000 Kaufinseraten für Häuser und Wohnungen ein, die von 2005 bis Ende Juni 2016 auf "comparis.ch" angezeigt wurden. "comparis.ch" bietet den umfassendsten Immobilienmarkt der Schweiz, in dem die Inserate der grössten Immobilienportale gesammelt werden und dem Nutzer gleichzeitig zur Verfügung stehen.

Die in den Inseraten genannten Preise wurden mit einem mathematischen Modell, dem LPPL-Modell, analysiert, das ETH-Professor Didier Sornette und sein Team entwickelt haben. Die erste Ausgabe dieser Analyse wurde Ende Januar 2013 publiziert. Der Immobilien-Report geht von verschiedenen Zuständen aus, die ein Bezirk einnehmen kann, wobei ein Bezirk gemäss folgendem Schema von einem Zustand in den anderen wechseln kann:

Die Karten basieren auf der Zuordnung der Bezirke von 2009. Didier Sornette hat mit dem Team seiner Professur an der ETH Zürich, dem Chair of Entrepreneurial Risks, dieses Modell bereits mehrfach erfolgreich angewendet. Er sagte unter anderem ohne Fehlalarm die Immobilienblase voraus, die 2007 in den USA platzte, ebenso das Platzen der Ölblase 2008 sowie den Crash des "Shanghai Composite Index" 2007 und 2009.

Professor Didier Sornette ist zudem Direktor des Financial Crisis Observatory der ETH. Die Zusammenarbeit zwischen seinem Lehrstuhl und "comparis.ch" besteht seit Anfang 2012. In der Startphase wurde die Studie von der Kommission für Technologie und Innovation des Bundes (KTI) mitfinanziert. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, Immobilienkäufern wichtige Informationen zur Preisdynamik in allen Schweizer Bezirken zu liefern.