Rauschtrinken legt Basis für Abhängigkeit

(Bildquelle: infoticker)

Im Jahr 2014 wurden 11'080 Personen wegen einer Alkoholvergiftung in einem Schweizer Spital stationär behandelt.

Fälle von Vergiftungen werden mit zunehmendem Lebensalter häufiger festgestellt. Nach einem Höchststand im Jahr 2008 haben die stationären Behandlungen stetig abgenommen. Es werden aber immer noch ein Viertel mehr Jugendliche und junge Erwachsene stationär behandelt als 2003.

Dies ist problematisch, da regelmässiges Rauschtrinken bei jungen Menschen die Hirnentwicklung beeinträchtigt und die Basis für eine spätere Abhängigkeit legt, wie eine neue Übersichtsarbeit von Sucht Schweiz zeigt.

Die heute veröffentlichte Studie zur Anzahl der alkoholbedingten Behandlungen wurde von Sucht Schweiz im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit durchgeführt. Sie analysiert die Zahlen der Jahre 2003 bis 2014 aus der "Schweizerischen Medizinischen Statistik der Krankenhäuser", welche die stationären Hospitalisierungen erfasst.

Mit zunehmendem Alter Vermischung mit Abhängigkeit

Im Jahr 2014 wurden 23'313 Personen wegen Alkoholvergiftung oder Alkoholabhängigkeit in einem Schweizer Spital stationär behandelt. Darunter befinden sich 11'080 Personen mit Haupt- oder Nebendiagnose Alkoholvergiftung. Knapp 8 Prozent davon sind junge Menschen zwischen 10 und 23 Jahren, der Anteil steigt mit höherem Alter stetig: Den grössten Anteil stellen die 65- bis 74-Jährigen. Dies auch deshalb, weil bei einem grossen Teil dieser Personen gleichzeitig eine Alkoholabhängigkeit festgestellt wird.

Eine Alkoholvergiftung ist eine extreme Ausprägung des punktuellen Risikokonsums, welcher nach den Suchtmonitoring-Zahlen (2) noch immer in der Kategorie der 20-24-Jährigen am meisten verbreitet ist. Von punktuellem Risikokonsum spricht man bei 4 oder mehr Gläsern Alkohol bei einer Gelegenheit für Frauen resp. 5 oder mehr Gläsern für Männer.

Stationäre Behandlungen nehmen ab

Zwischen 2003 und 2008 hatte die Anzahl stationärer Behandlungen wegen Alkoholvergiftung rasant zugenommen, am stärksten bei jungen Menschen. Seit 2008 nimmt die Anzahl in allen Alterskategorien wieder stetig ab und hat in der Gesamtbevölkerung das Niveau von 2003 erreicht, bleibt bei den 10- bis 23-Jährigen aber 2014 noch 26 Prozent über dem Wert von 2003.

Erklärungen für diese Trends sind schwierig zu geben, denn die selbstberichtete Häufigkeit des punktuellen Risikokonsums hat nach anderen Studien bereits vor diesem Zeitraum zugenommen und ist mindestens seit 2007 stabil bis abnehmend. So kann es sein, dass die Zunahme der stationären Behandlungen ab 2003 auf einem immer extremeren Trinkverhalten eines Teils der Risikokonsumenten basiert, aber auch auf einem zunehmenden Bewusstsein der Gefährdungslage bei einer Alkoholvergiftung und der entsprechenden Einlieferung durch die Freunde oder Angehörige der Patienten.

Die seitherige Abnahme der stationären Behandlungen könnte unter anderem mit einem partiellen Rückzug des Risikokonsums ins Private und der vermehrten ambulanten Behandlung von Alkoholvergiftungen zu erklären sein.

Risiken des Rauschtrinkens

Rauschtrinken: Nicht nur Unfälle, sondern auch Sensibilität für Alkohol als Gefahr Alkoholvergiftung ist nur eines der Risiken des Rauschtrinkens. In der Übersichtsarbeit "Binge drinking: Health impact, prevalence, correlates and interventions" haben Forscher von Sucht Schweiz den aktuellen Stand der Forschung zum Rauschtrinken zusammengetragen.

Als hauptsächliche kurzfristige Risiken haben sich dabei Unfälle, ungewollter und ungeschützter Geschlechtsverkehr, Gewalt und der Einfluss von Alkohol auf die Schwangerschaft herausgestellt. Insgesamt machen Unfälle und Verletzungen rund ein Drittel der jährlich 1'600 alkoholbedingten Todesfälle in der Schweiz aus.

Gleichzeitig zeigen die neusten Forschungsergebnisse, dass die Hirnentwicklung von jungen Menschen durch regelmässiges Rauschtrinken beeinträchtigt wird und dass solcher Konsum ähnliche (wenn auch weniger starke) Defizite wie bei Alkoholabhängigkeit hervorruft. Regelmässiger Risikokonsum führt insbesondere bei jungen Menschen zu einer Hypersensibilität für Alkohol-Stimuli wie Alkoholwerbung, Verfügbarkeit von Alkohol sowie Konsumsituationen. So könnten Rauschtrinken und Alkoholabhängigkeit als zwei Phasen desselben Phänomens betrachtet werden.

Rauschtrinken ist nicht nur ein problematisches Jugendphänomen, sondern hat langfristige Auswirkungen und tritt mit zunehmendem Alter häufig in Verbindung mit Abhängigkeit auf.

Artikelfoto: jarmoluk (CC0 Public Domain)