Mit Highspeed ins digitale Zeitalter

(Bildquelle: infoticker)

Verglichen mit anderen weltverändernden Ereignissen legt die Digitalisierung ein fast raketengleiches Tempo vor. Bloss: Wie kommt das?

Für weltgeschichtliche Verhältnisse ist es kaum mehr als ein Wimpernschlag: seit rund 15 Jahren befinden sich gut sieben Milliarden Menschen mitten drin in der Digitalisierung. Fernseher verbinden sich ganz selbstverständlich mit dem Internet, um ihren Besitzern jederzeit genau das vorzuspielen, was sie sehen wollen. Einkäufe zwischen Haushaltsreiniger und Neuwagen werden ohne jede menschliche Interaktion abgewickelt.

Die einzige Analogie, die ähnlich tiefgreifende Umwälzungen hervorrief, war die industrielle Revolution. Doch genau die ist auch der Beweis für die Einzigartigkeit unserer jetzigen Epoche: In der Schweiz etwa dauerte es mehrere Jahrzehnte, bis wir uns Anfang des 19. Jahrhunderts, als die ersten Fabriken entstanden, vom Agrarstaat der Zukunft zugewandt hatten.

Ähnlich sah es auch in anderen Ländern aus. Doch von dem Moment Anfang der 2000er, an dem viele sich noch wunderten, was das ominöse "www.migros.ch" bedeutete, das in einem TV-Werbespot für das Handelsunternehmen eingeblendet wurde, bis heute, wo wir den Besuch auf den Seiten solcher Firmen per App erledigen, vergingen gerade einmal anderthalb Jahrzehnte.

Und noch ein weiteres Detail rückt die industrielle und die digitale Revolution auseinander: Erstere fand über mehr als ein Jahrhundert in unterschiedlichen Ländern statt: Grossbritannien etwa war schon eine Industrienation, als wir uns gerade erst an das Thema herantasteten. Und manche Länder sind auch heute noch nicht wirklich industrialisiert.

Internet und seine gesamten Auswüchse finden sich hingegen praktisch überall auf der Welt: Irgendwo in Südwest-Afrika surfen die Menschen heute genau so auf ihren Smartphones wie an der Südspitze Chiles und im russischen Hinterland. Selbst auf dem Dach der Welt, dem Mount Everest, gibt es bereits seit 2010 Highspeed-Verbindungen. Doch woran liegt es, dass diese Technik innerhalb so kurzer Zeit sich nicht nur physikalisch so weit verbreiten konnte, sondern auch in den Köpfen der Menschen?

Eine Sache der Bequemlichkeit

Um einen Teil dieser Frage zu beantworten, muss man ein wenig in die Psyche des Menschen einsteigen. Die industrielle Revolution nämlich produzierte zunächst einmal auch sehr viele Opfer. Menschen, die mit dem Tempo der Maschinen nicht mehr mithalten konnten und so ihre Existenz verloren. Die Digitalisierung - obgleich sie ebenfalls viele Jobs gefährdet - macht die Welt für jeden einzelnen etwas bequemer:

• Nachrichten

• Wetter

• Humor

• Kontakt

• Kochen

• Einkaufen

sind dank der Digitalisierung sehr viel schneller und vor allem einfacher zu konsumieren, als jemals zuvor. Und, das zeigt die Menschheitsgeschichte, was uns das Leben erleichtert, das nehmen wir in der Regel sehr gerne an. Das zeigt sich auch in einem weiteren Detail: Als die Digitalisierung richtig in Fahrt kam, gingen die meisten Menschen noch via Modem online.

Bild: Ein weiterer Verbreitungs-Grund ist die Tatsache, dass die Digitalisierung für jeden etwas anderes bringt. - santypan/fotalia.com  

Das war nicht nur langsam, sondern vor allem auch richtig teuer, weil noch niemand an Flatrates dachte. Erst der Druck der Kunden, die keine Lust hatten, monatlich gigantische Telefonrechnungen zu bezahlen, machte es für die Telekommunikationsanbieter rentabel, über neue Bezahlmodelle nachzudenken und somit das Internet zu dem zu machen, als das wir es heute kennen.

Schlüsselrolle Flatrate

Auch wenn vielleicht manche Historiker es anders sehen werden, aber diese Flatrate ist vielleicht der wichtigste Schlüssel der Digitalisierung. Denn ohne sie wäre praktisch nichts von dem möglich, was wir heute tun: Unsere Smartphones beispielsweise sind 24/7 online - wahlweise über das mobile Telefonnetz oder WLAN. Man darf sich ausrechnen, wie viele Menschen so verfahren würden, müsste noch jede Online-Minute einzeln abgerechnet werden.

Gleichsam ist der Mensch auch schon immer ein Technik-Freak gewesen: wir lieben es, immer höher, schneller, weiter zu kommen - auch beim Internet. Und so bekommt die Flatrate einmal mehr eine gewichtige Bedeutung:

• Mit der Flatrate stiegen die Datenmengen und möglichen Online-Verweilzeiten

• Das ermöglichte es, viel umfangreichere Websites zu erstellen

• Dadurch wurde es nötig, schnellere Hardware zu entwickeln, die die neuen Inhalte flüssig darstellen konnten

• Das wiederum ermöglichte noch umfangreichere Web-Inhalte

Den Beweis für diese These liefert ein Blick in die Frühgeschichte des Web 2.0: Denn erst nachdem Flatrates und Technik den Interessentenkreis des Webs vervielfacht hatten, entstanden die Seiten, die heute unser Leben bestimmen:

Wikipedia, iTunes, Facebook, YouTube und Co. gingen alle zwischen 2001 und 2005 an den Start - als sich Flatrates zum Normalzustand entwickelten. Und erst mit Hochgeschwindigkeits-Funkstandards wie UMTS und LTE wurde es möglich, diese Seiten auch mobil in gleicher Qualität und Geschwindigkeit abzurufen.

Die Lust an der Technik

Ein weiterer Faktor ist jedoch die angesprochene Technik-Affinität des Menschen: Denn so, wie wir Komfort zu schätzen wissen, mögen wir auch alles Neue - vor allem dann, wenn es besagten Komfort noch komfortabler macht. Hier findet sich beispielsweise einer der Schlüsselpunkte für unseren Hang zu Smartphones und Tablets. Denn beides existierte als Idee und in Kleinserie - hier ein Artikel von 2001 - ebenfalls schon Anfang der 2000er. Jedoch war einerseits die Technik noch nicht massenkompatibel, weil zu teuer. Und andererseits gab es schlicht noch nicht genügend Anwendungen, die das mobile Surfen auch für Herr und Frau Schweizer attraktiv machten.

Bild: Die Möglichkeiten mobilen Internets machten es für die Hersteller attraktiv, die Technik zu schrumpfen. - tsuguliev/fotalia.com  

Heute sieht das anders aus: Von der Musik-Erkennungs-Software, die einem sofort zu einem irgendwo laufenden Song Titel und Interpret verrät, über Navigations-Apps bis hin zu Barcode-Scannern und digitalen Zahlungsoptionen gibt es eine unglaubliche Bandbreite an Dingen, die mobiles Internet für praktisch jeden irgendwie interessant und vor allem nützlich machen.

Und - das darf man nicht vergessen - praktisch zum ersten Mal in der Computer-Geschichte decken sich die Hardware-Leistungen mit den Erfordernissen der Software und den Kundenwünschen. Wer heute ein Oberklasse-Smartphone kauft, bei dem bleiben praktisch keine Leistungswünsche mehr offen. Gleichsam läuft die Entwicklung jedoch immer weiter, sodass dieser Motor auch in absehbarer Zukunft nicht stehenbleiben wird.

Fazit

Dass die Digitalisierung sich so schnell verbreiten konnte, liegt vor allem an der Bequemlichkeit des Menschen und daran, dass ihre Etablierung für die meisten Menschen mehr Vor- als Nachteile hat. Sie produziert weder Massenelend noch verdreckte Industrie-Ghettos. Dass die benötigten Geräte und Softwares sich auch noch verhältnismässig leicht produzieren lassen, tut sein Übriges.