Mehr Realität in der Modeindustrie

(Bildquelle: infoticker)

Klickt man sich durch Modestrecken und Werbekampagnen oder schaut man sich an, wer bei den Fashion Weeks über die Catwalks läuft, fällt auf, dass die Models auf den Laufstegen und Fotos nur in den seltensten Fällen normale Frauen repräsentieren. Dabei sind genau diese die Zielgruppe der Modehäuser....

Die Modeindustrie steht deshalb schon seit Längerem in der Kritik: Die ohnehin schon sehr schlanken Models werden auf Fotos per Photoshop noch dünner gemacht. Jedes Fältchen, jede Unreinheit, jedes weisse Haar wird retuschiert. Auf den Laufstegen sind nicht-weisse Models noch immer unterrepräsentiert und in den meisten Modeläden hängt Kleidung bis maximal Grösse 42. Doch allmählich findet ein Umdenken statt.

Photoshop? Nein danke!

Die Taille noch schlanker, die Brüste noch voller, die Haut noch ebenmässiger - mit dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshop werden die Bilder schöner Frauen solange perfektioniert, bis die abgebildeten Models mit echten Frauen kaum noch etwas gemeinsam haben. Frauen, die sich solche Fotos ansehen - sei es auf einem Werbeplakat, in einem Hochglanzmagazin oder auf Instagram –, wissen oft gar nicht, wie viel Retusche für diese perfekten Bilder notwendig war. Sie vergessen, dass auch die superdünnen Models mit der ebenmässigen Haut in Wahrheit Dellen oder Dehnungsstreifen haben - Selbstzweifel sind da vorprogrammiert.

Laut Statistik ist in der Schweiz jede vierte Frau zwischen 15 und 24 Jahren unzufrieden mit ihrem Gewicht. Der Grund dafür sind weniger die Pfunde zu viel auf der Waage, sondern die Überzeugung, dass Cellulite und Dehnungsstreifen das Resultat von Übergewicht sind. Dass dies falsch ist, beweisen nun endlich vereinzelte Modestrecken, auf denen sich Models mit diesen "Makeln" zeigen.Der Onlineshop Asos präsentiert seine Bademode an Models, deren Dehnungsstreifen nicht mithilfe von Spray-Tanning oder Photoshop unsichtbar gemacht wurden. Auch das Modelabel Desigual verzichtete bei einem Kampagnen-Shooting mit dem Model Charli Howard auf die Photoshop-Retusche.

Plus-Size-Models noch immer unterrepräsentiert

Die meiste Aufmerksamkeit in Hinblick auf mehr Diversität in der Modeindustrie erhielt in den letzten Jahren die Plus-Size-Branche. Den Anfang machte die Debatte um Ashley Graham, die als erstes Plus-Size-Model das Cover der Sports Illustrated zierte. Immer mehr Modeketten – unter anderem H&M und Forever21 – bieten mittlerweile Konfektionsgrössen jenseits der magischen 42 an. Die Auswahl an schicker, trendiger Kleidung ab Grösse 42 wächst, und immer mehr Shops spezialisieren sich auf Mode in Übergrössen.

So gibt es beispielsweise bei Ulla Popken kurze und lange Abendkleider in Plus Size, ausserdem Business-Kleidung, Streetwear, Bade- und Sportmode sowie Lingerie. Nur auf den Laufstegen sind Übergrössen-Models unterrepräsentiert. Dort laufen die meisten ausschliesslich für Modedesigner, die Plus-Size-Fashion entwerfen. So lief nicht ein einziges Plus-Size-Model über die Laufstege in London, Mailand und Paris. In New Work waren es immerhin 16 – das waren allerdings nur 0,54 Prozent aller gebuchten Models.

Seltener Soul

Während die Anzahl der Übergrössen-Models auf den Laufstegen noch immer sehr niedrig ist, laufen inzwischen immerhin mehr als 25 Prozent nicht-weisse Models über die Catwalks - so viele wie nie zuvor in der Modegeschichte. Schon lang kritisieren Frauen, dass Mode vor allem an weissen, europäisch aussehenden Frauen präsentiert wird, obwohl sich die grössten Wachstumsmärkte der High-Fashion-Designer wie Chanel oder Dior in Asien und Afrika befinden und auch Europa immer multikultureller wird.

Nur langsam findet ein Wandel statt, aber immerhin: Das Mode-Label Gucci engagierte für seine Pre-Fall-Kampagne ausschliesslich schwarze Models – passend zur Kampagne: Denn auf den Fotos feiern die Protagonisten eine von der Northern-Soul-Szene der späten 1960er-Jahre inspirierte Party.

Artikelfoto: Glam UK (CC BY-SA 2.0)