Kantonale Unterschiede bei der Verfolgung von Tierschutzdelikten

(Bildquelle: infoticker)

Gemäss der aktuellen Jahresanalyse der Stiftung für das Tier im Recht (TIR) hat die Zahl der Tierschutzstrafverfahren mit 2'397 Fällen im Jahr 2016 erneut einen Höchstwert erreicht - was auf eine erhebliche Verbesserung des Strafvollzugs schliessen lässt. Nichtsdestotrotz sind noch immer grosse...

Gesamtschweizerisch hat sich die Anzahl der Tierschutzstrafverfahren in den vergangenen zehn Jahren fast vervierfacht und in den letzten 15 Jahren sogar mehr als versechsfacht. Nach Ansicht der TIR ist diese Entwicklung positiv zu bewerten, da die Fallzahlen nicht einen tatsächlichen Anstieg an Tierschutzverstössen aufzeigen dürften, sondern vielmehr als Ergebnis eines konsequenteren Vollzugs des strafrechtlichen Tierschutzes zu werten sind.

In absoluter Hinsicht stammen die meisten Verfahren aus dem Kanton Zürich (464 Fälle), der mit 3.12 Verfahren pro 10'000 Einwohner auch in relativer Hinsicht das gesamtschweizerische Durchschnittsniveau zu halten vermag. An zweiter Stelle folgt der Kanton Bern mit 335 Fällen bzw. 3.26 Verfahren pro 10'000 Einwohner. Insgesamt 193 Tierschutzstrafverfahren bzw. 3,84 Verfahren pro 10'000 Einwohner wurden im Kanton St. Gallen geführt, dessen Fälle insbesondere auch in qualitativer Hinsicht oftmals überzeugen.

Gemessen an der Bevölkerungszahl stammen die meisten Verfahren aus dem Kanton Appenzell-Innerrhoden (7,50 Verfahren pro 10'000 Einwohner). Besonders erfreulich ist die sprunghafte Zunahme der Verfahren in den Kantonen Genf und Wallis, was dadurch zu erklären ist, dass beide Kantone erstmals die Fälle der für die Ahndung von Übertretungen zuständigen Behörden beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eingereicht haben.

Strukturen zahlen sich aus

Die positiven Ergebnisse in den Kantonen Zürich, Bern und St. Gallen dürften in erster Linie auf die in den betreffenden Kantonen speziell geschaffenen Strukturen zurückzuführen sein: In Zürich und Bern bestehen bei der Polizei jeweils Spezialabteilungen und in Zürich kann zudem das kantonale Veterinäramt als Partei auf Tierschutzstrafverfahren Einfluss nehmen. In St. Gallen ist sodann ein spezialisierter Staatsanwalt für die Untersuchung von Tierschutzdelikten zuständig.

Gemessen an der Bevölkerungszahl stammen die wenigsten Fälle aus dem Kanton Basel-Landschaft, der als einziger Kanton weniger als ein Tierschutzstrafverfahren pro 10'000 Einwohner geführt hat. Ebenfalls nur sehr wenige Verfahren zu verzeichnen haben die Kantone Freiburg (1.12 Verfahren pro 10'000 Einwohner) und Glarus (1.25 Verfahren pro 10'000 Einwohner).

Hunde am meisten betroffen

2016 befassten sich die Behörden in 63,8 Prozent der erfassten Entscheide mit Delikten, die an Heimtieren begangen wurden. Rund ein Viertel aller Verfahren hatte an Nutztieren verübte Tierschutzdelikte zum Gegenstand. Mit 1'426 Fällen waren erneut Hunde am häufigsten Opfer von Widerhandlungen gegen das Tierschutzgesetz. Diese Zahlen sind allerdings insofern zu relativieren, als dass es im Berichtsjahr in 10,9 Prozent der Verfahren, die Tierschutzdelikte an Hunden behandelten, um mangelhafte Beaufsichtigung ging und über die Hälfte der Hundefälle lediglich das Nichterbringen des Sachkundenachweises betraf. In beiden Konstellationen sind die jeweiligen Hunde regelmässig nicht direkt in ihrem Wohlergehen beeinträchtigt.

Der Mittelwert der für Übertretungen gegen das Tierschutzrecht ausgesprochenen Bussen beträgt wie schon in den Vorjahren 300 Franken. Höher sind die Bussen im Kanton Freiburg mit einem Mittelwert von 500 Franken sowie in den Kantonen Thurgau und St. Gallen mit je 400 Franken. Besonders hervorzuheben ist der Kanton Genf, der zwar im Mittel lediglich Bussen von 200 Franken zu verzeichnen hat, bei reinen Tierschutzverstössen ohne Berücksichtigung der Sachkundenachweis-Fälle jedoch regelmässig Bussen von 1'000 Franken und mehr ausweist.

Im Berichtsjahr wurde schweizweit in 24 Fällen eine unbedingte Geldstrafe allein für einen Tierschutzverstoss ausgesprochen. Freiheitsstrafen gab es keine. Angesichts des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens und des mit den betreffenden Handlungen oftmals einhergehenden Tierleids sind diese Strafen noch immer unverhältnismässig tief.

Nutzhuhnhaltung im Visier

Im Rahmen der diesjährigen Analyse der Schweizer Strafpraxis wurden die rechtlichen Bestimmungen zum Schutz von Hühnern sowie deren strafrechtliche Umsetzung einer genaueren Betrachtung unterzogen. Der Fokus lag dabei auf der Nutzhuhnhaltung. Dabei zeigt sich, dass zur Haltung von Hühnern kaum tierschutzrechtliche Vorschriften existieren und dass ökonomische Interessen regelmässig schwerer gewichtet werden als das tierlichen Wohlergehen.

Doch nicht nur auf gesetzlicher Ebene, auch bei der strafrechtlichen Umsetzung der geltenden Bestimmungen bestehen erhebliche Defizite. So finden sich nur sehr wenige Strafverfahren, die Delikte an Hühnern zum Gegenstand hatten – in den letzten zehn Jahren betrug der Anteil Hühnerfälle lediglich 1,6 Prozent des Fallmaterials -, was insbesondere vor dem Hintergrund der riesigen Zahl der in der Schweiz gehaltenen Hühner erstaunt.

Zudem fällt auf, dass von den wenigen in der TIR-Datenbank erfassten Hühnerfällen meist gerade nicht die aus Tierschutzsicht besonders problematischen Massentierhaltungsbetriebe betroffen sind. Entsprechend wird den insbesondere an Nutzhühnern begangenen Tierschutzverstössen nach wie vor kaum Beachtung geschenkt.

Verbesserungspotenzial vorhanden

Zusammenfassend besteht im Tierschutzstrafvollzug vielerorts noch erhebliches Verbesserungspotenzial. Es ist völlig inakzeptabel, dass verbindliche Gesetzesbestimmungen immer wieder ignoriert und Tierschutzverstösse nicht verfolgt oder mit viel zu milden Strafen geahndet werden. In einem Forderungskatalog hat die TIR darum die acht wichtigsten Postulate für eine wirksame Strafpraxis im Tierschutzrecht aufgelistet.

Artikelfoto: Capri23auto (CC0 Creative Commons)