Jeder zweite Schweizer könnte auf das Auto verzichten

(Bildquelle: infoticker)

Schlechtes Image wegen der Dieselkrise und Boom beim Car-Sharing. Rollt die Automobilindustrie finsteren Zeiten entgegen? Zumindest für den Schweizer Markt drängt sich dieser Eindruck auf. Denn: Für jeden Zweiten ist es denkbar, in Zukunft gänzlich auf sein eigenes Auto zu verzichten. Das ergab...

Während das eigene Auto an Glanz verliert, gewinnen der öffentliche Verkehr und Car-Sharing-Anbieter an Strahlkraft. So können sich 58 Prozent der Städter grundsätzlich vorstellen, auf den ÖV oder Car-Sharing umzusteigen und auf ein eigenes Auto zu verzichten. Auf dem Land sind es 48 Prozent der Befragten.

Damit verdeutlicht die Comparis-Umfrage einen Unterschied zwischen Stadt- und Landbevölkerung, zeigt aber auch, dass dieser überraschend gering ausfällt.

Car-Sharing mit hohem Wachstumspotenzial

Zwar prognostizierte der Mobilitätsforscher und Daimler Futurist Alexander Mankowsky noch vor wenigen Tagen auf der Berliner Internet-Konferenz Republica, dass es "Car-Sharing in 15 Jahren nicht mehr geben" würde. Hierzulande zeigt sich aber eine gegenteilige Tendenz: Mehr als jeder Fünfte nutzt heute Car-Sharing-Angebote. In der Stadt sogar jeder Vierte.

Und die Branche hat ein eindrückliches Wachstumspotenzial vor sich: 55 Prozent aller Autofahrer, die Car-Sharing noch nie genutzt haben, können sich vorstellen, in Zukunft auch auf Geschmeinschaftsautos zu setzen.

Umweltschutz spielt untergeordnete Rolle

Lange hing Car-Sharing ein grünes Image an. Dabei bringen die Umfrageteilnehmer mit dem Mobilitätsangebot in erster Linie "bewusste Mobilität" in Verbindung (62 Prozent), gefolgt von "moderner Mobilität" (60 Prozent) und "günstiger Mobilität" (55 Prozent). "Ökologische Mobilität" folgt indes auf dem letzten Platz mit knapp über 50 Prozent.

Nach den konkreten Gründen gefragt, weshalb Car-Sharing genutzt wird, steht ein praktisches Motiv im Vordergrund: Für mehr als die Hälfte ersetzt das Angebot den Zweitwagen. Finanzielle Aspekte spielen für ein Drittel aller Befragten die wichtigste Rolle. Sie geben an, Car-Sharing sei für sie günstiger, als ein eigenes Auto zu besitzen. Und 30 Prozent sagen, sie bräuchten nur sehr selten ein Auto, weshalb sich der Kauf nicht lohne. Immerhin jeder Sechste sagt, er wolle ganz bewusst auf ein eigenes Auto verzichten.

Führerschein nicht mehr "cool"

Auch der Besitz des Führerscheins verliert zunehmend an Bedeutung. Fast die Hälfte der Städter kann sich unter bestimmten Voraussetzungen vorstellen, ganz auf den Führerschein zu verzichten. Auf dem Land ist das hingegen nur für eine Minderheit (26 Prozent) denkbar.

Gesamtschweizerisch meint jeder Dritte Führerscheinbesitzer, grundsätzlich auch ohne das Papier leben zu können. Wer keinen Führerschein besitzt, der hat seine Gründe dafür: 40 Prozent der Befragten geben die hohen Kosten dafür an, 30 Prozent haben schlicht keinen Bedarf.

Befragt nach dem Image des Fahrausweises, antwortete die Mehrheit der Befragten, dass der Führerscheinbesitz heutzutage nicht mehr als "cool" angesehen würde. Nur jeder Fünfte geht davon aus, dass die Fahrbewilligung noch immer den gleichen Stellenwert hat wie früher und mit dem selben Prestige verbunden ist. Dabei zeigt sich: Je geringer das Haushaltseinkommen, desto "cooler" der Besitz eines Führerscheins.

Dass dieses Umfrage-Ergebnis auf ein sinkendes Interesse an der individuellen Mobilität hindeutet, glaubt Harry H. Meier, Automobilexperte beim Internetvergleichsdienst comparis.ch indes nicht: "In Kombination bieten öffentlicher Verkehr und Car-Sharing beinahe vollwertigen Ersatz für die individuelle Mobilität. Die Umfrage zeigt in erster Linie, dass sich lediglich die Definition von individueller Mobilität verändert hat. Nicht aber das Bedürfnis danach". 

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