Gletscher in der Zentralschweiz schmelzen bis 2090 weg

(Bildquelle: infoticker)

In den nächsten 80 Jahren verschwinden die letzten Eismassen in den Zentralschweizer Bergen. Dies ergibt eine neue Untersuchung der Universität Freiburg. Das Schmelzen der Gletscher verändert den Wasserhaushalt in der Zentralschweiz langfristig.

Die Gletscher in den Zentralschweizer Bergen werden immer kleiner. Wie stark der Rückgang tatsächlich ist, hat die Universität Freiburg im Auftrag der Aufsichtskommission Vierwaldstättersee ermittelt. Die Aussichten sind ernüchternd: Bis ins Jahr 2090, kurz vor Ende dieses Jahrhunderts, werden voraussichtlich 90 Prozent der heutigen Gletscher verschwunden sein. Mit anderen Worten: Kinder, die heute zur Welt kommen, erleben dereinst die komplett eisfreien Zentralschweizer Alpen.

60 Quadratkilometer sind noch unter Eis

Im Einzugsgebiet der Reuss sind gemäss Gletscherinventar 2010 noch rund 60 Quadratkilometer vergletschert. Dies entspricht rund der Hälfte der Fläche des Vierwaldstättersees. Das Eisvolumen wird auf ca. 2,5 Kubikkilometer geschätzt, was ungefähr dem zehnfachen Inhalt des Sarnersees gleichkommt. Bereits in den Jahren 1973 bis 2010 verschwanden rund 15 Quadratkilometer Gletscherfläche und 1,4 Kubikkilometer Eisvolumen. Mit dem Klimawandel wird der Rückzug weiter beschleunigt.

Grundlage für die Berechnungen der Wissenschaftler der Universität Freiburg sind unter anderem die detailliert geführten Gletscherinventare, die bis ins Jahr 1850 zurückgehen und periodisch aktualisiert werden. Die Studie geht von einer moderaten Klimaerwärmung aus, also von +2° C bis Mitte und +4° C bis Ende des Jahrhunderts. Wie die Wissenschaftler betonen, ist die Unsicherheit aufgrund der Klimaentwicklung allerdings beträchtlich. Sicher aber ist: Der Klimawandel bringt uns künftig häufiger Trocken- und Hitzeperioden und die Gletscher und der Permafrost schwinden rasant.

Auch der Grösste wird kleiner

Der mit Abstand grösste Gletscher im Einzugsgebiet des Vierwaldstättersees ist der Hüfifirn im Maderantertal im Kanton Uri. Im Jahr 2000 bedeckte er eine Fläche von rund 13 Quadratkilometern und wies ein Eisvolumen von ca. 1,5 Kubikkilometern auf. Durchschnittlich war das Eis fast hundert Meter dick und an der dicksten Stelle schätzte man das Eis gar auf 360 Meter.

Bis ins Jahr 2030 wird sich die von Eis bedeckte Fläche im Maderanertal um berechnete 27 Prozent verkleinern. Bis 2090 verschwinden sogar gut 90 Prozent des Gletschers. In ähnlichem Mass lässt sich dieser Rückgang auf praktisch alle Gletscher im Kanton Uri und der Zentralschweiz übertragen.

Neue Seen in den Bergen

Mit dem Rückgang der Gletscher verändert sich auch die Landschaft grundlegend. Die Eismassen haben über die Jahrtausende - durch ihre langsame Bewegung talwärts - Fels abgetragen und erodiert. Dabei sind Vertiefungen im Gelände entstanden. Mit dem Abschmelzen der Gletscher werden diese freigelegt. In den Übertiefungen werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten neue Seen entstehen.

Grosse Übertiefungen sind im Bett des Hüfifirns im Maderantertal zu erwarten. Bereits heute lässt sich dieser Vorgang beobachten. Der bereits sichtbare Hüfisee ist ein klassischer Übertiefungssee, der sich nach 1960 nach dem Rückzug des Gletschers gebildet hat. Beim weiteren Rückzug des Hüfifirns ist die Bildung von weiteren Bergseen zu erwarten. Auch beim Blüemlisalpfirn (Isenthal) und beim Brunnifirn (Maderanertal) ist mit neuen Seen zu rechnen. Welche Risiken oder auch Chancen neue Gletscherseen mit sich bringen, lässt sich derzeit nicht sagen und muss von Fall zu Fall beurteilt werden.

Abflussspitzen verschieben sich

Gletscher sind wichtige Wasserspeicher. Die Gletscherschmelze spielt für den Abfluss in den Gewässern, vor allem in den Sommermonaten, eine wichtige Rolle. Entsprechend gross sind die erwarteten Auswirkungen auf das Abflussregime der lokalen Bäche, Flüsse und auch auf das Grundwasser. Solange die Gletscher noch bestehen, bleibt die Abflussmenge in der Zentralschweiz ähnlich wie heute. Aber: Im Zuge des Klimawandels werden sich die Abflussspitzen immer früher ins Jahr verlagern.

Ende des Jahrhunderts tragen die Gletscher im Einzugsgebiet der Reuss im Sommer nur noch einen kleinen Teil zum Gesamtabfluss bei. Vor allem im August und September ist bis 2100 mit einem Abfluss-Rückgang aus den heute vergletscherten Gebieten bis zu 60 Prozent zu rechnen. In Trockenperioden kann diese Situation in einzelnen Fällen zu Engpässen bei der Wasserversorgung führen.

Artikelfoto: Standeskanzlei Kanton Uri