Antikörper wirken als "Botenstoffe" im Nervensystem

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Antikörper haben eine nützliche Wirkung. Sie können ihre Funktion ändern und Nervenzellen aktivieren. Krebs-Begleiterkrankungen wie Darmlähmung werden dadurch besser verstanden.

Antikörper können in Millisekunden menschliche Nervenzellen aktivieren und damit ihre Funktion ändern, wie Forscher der Technischen Universität München herausgefunden haben. Dieses Wissen verbessert das Verständnis der Begleiterkrankungen bestimmter Formen von Krebs - allen voran der sehr problematischen Darmlähmung.

Anti-Hu-Antikörper

Funktionelle Störungen von Organen, die im Zusammenhang mit einer Tumorerkrankung auftreten, werden Paraneoplastische Syndrome genannt. Diese verursacht nicht der Primärtumor selbst, sondern sie sind häufig eine Folge einer Autoimmunreaktion des Körpers. Dabei richten sich Antikörper im Menschen gegen die eigenen Zellen und greifen diese an.

Eine dieser Störungen ist eine Lähmung des Darms (Darmatonie). Sie erschwert es, Patienten über die Nahrung mit notwendigen Nährstoffen und Kalorien zu versorgen. Das Anti-Hu-Syndrom, als eine Form des Paraneoplastischen Syndroms, ist oft mit einer Darmlähmung assoziiert und kommt in der Regel im Zusammenhang mit dem kleinzelligen Lungentumor vor. Paraneoplastische Syndrome treten auf, noch bevor der Tumor überhaupt entdeckt wurde.

Hu ist ein Protein. Es kommt in der Regel normalerweise in den Zellkernen aller Nervenzellen vor - gemeint sind HuA, B, C und D. Da der Tumor das Hu-Protein bildet, generiert das Immunsystem dagegen Antikörper. Diese dienen zunächst der Tumorabwehr: Je mehr Antikörper gebildet werden, desto langsamer wächst der Tumor. Diese Anti-Hu-Antikörper - benannt 1985 nach dem ersten Patienten, in dem diese Antikörper entdeckt wurden - führen aber auch zu einer Autoimmunreaktion mit einer Darmlähmung als Begleiterkrankung.

Über Rezeptoren vermittelt

Die Forscher konnten erstmals zeigen, dass diese Patientenseren innerhalb von Millisekunden menschliche Nervenzellen aktivieren, ohne dass sie geschädigt werden. Dies verändert Nervenfunktionen weit bevor die Autoimmunreaktion die Nerven schädigt.

Das Team konnte sogar den dafür verantwortlichen Faktor identifizieren: Normalerweise werden Nervenzellen über Botenstoffe aktiviert oder gehemmt, die auf spezifische Signalauslöser (Rezeptoren) in der Zellmembran wirken. Erstaunlicherweise war es bei den Patientenseren indes ein Antikörper, nämlich der Anti-HuD-Antikörper, welcher die Nervenzellen erregte.

Wie Wirkung von Botenstoffen

Das Besondere am Befund: Der Antikörper wirkt nicht über die Bindung an sein eigentliches Hu-Zielprotein. "Interessanterweise wird die nervenaktivierende Wirkung über Rezeptoren für Neurotransmitter vermittelt", erläutert Forscher Michael Schemann: "Es sind dies Rezeptoren, die üblicherweise durch Acetylcholin und Adenosintriphophat aktiviert werden." Der Antikörper ahmt quasi die Wirkung der Botenstoffe Acetylcholin und Adenosintriphosphat nach.

Das HuD-Protein stabilisiert die Ribonukleinsäure und hat mit Nervenaktivierung nichts zu tun. Es bleibt zwar nach wie vor noch eine Blackbox, wie und wo exakt der Anti-HuD-Antikörper an die Rezeptoren bindet. Jedoch läutet die nun entdeckte Wirkung des Anti-HuD-Antikörpers laut Schemann einen Paradigmenwechsel ein, weil Antikörper Nerven aktivieren können - unabhängig von Antikörper-spezifischen Bindungsstrukturen auf der Zellmembran.