4'000-jährige Bergausrüstung auf dem Lötschenpass geborgen

Ein schneearmer Winter und ein warmer Sommer 2017 im Alpenraum haben für weltweite Schlagzeilen gesorgt: Schmelzende Gletscher und Schneefelder gaben vermisste Personen und ihre Ausrüstungen preis. Während diese Funde keine hundert Jahre alt sind, konnten Fachleute des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern im September auf dem Lötschenpass rund 4'000 Jahre alte Ausrüstungsgegenstände aus einem Firnfeld bergen.

Bereits 2011 meldete Beat Dietrich, der Hüttenwart der Lötschenpasshütte, dem Archäologischen Dienst des Kantons Bern verschiedene Objekte, die er in einem ausapernden Firn- oder Altschneefeld entdeckt hatte. Im folgenden Sommer konnten Mitarbeitende des Archäologischen Dienstes in unmittelbarer Nähe der Fundstelle weitere Gegenstände bergen.

Die folgenden vier Sommer lag die Fundstelle unter Schnee verborgen. Erst im September 2017 gab das Firnfeld sie ein weiteres Mal frei. Nun konnten Berner Archäologinnen die fundführende Schicht abschliessend untersuchen und weitere Fundobjekte bergen.

Einzigartige frühbronzezeitliche Ausrüstung

Erste C14-Datierungen belegen, dass viele Fundstücke in der Zeit um 2'000 bis 1'800 v. Chr., der Frühbronzezeit, auf dem Pass liegen geblieben sind. Dazu gehören eine Spanschachtel mit grobem Getreidemehl, Pfeilbogenfragmente, drei Pfeilspitzen aus Silex, ein Behälter aus Kuhhorn und kleine Lederstücke. Die 2017 geborgenen Objekte vervollständigen das Bild: Neben vier Pfeilbogenfragmenten fanden sich Lederriemen und -stücke, zerbrochene Pfeilschäfte sowie eine aus tierischen Fasern gedrehte Schnur mit einem Knopf aus Geweih.

Bild: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Badri Redha

Das Fundensemble kann als Ausrüstung eines frühbronzezeitlichen Berggängers interpretiert werden. Neben der Proviantschachtel mit Mehl trug er eine Birkenrindentasche sowie Pfeil und Bogen mit sich. Die beachtliche Anzahl Lederriemen und -fragmente können zusammen mit einigen Holzstücken von einem rucksackartigen Behälter stammen. Die Überlieferung einer solchen Ausrüstung aus der Bronzezeit ist einzigartig. Möglicherweise werden die Konservierung und wissenschaftliche Aufarbeitung Anhaltspunkte liefern, warum sie in der Frühbronzezeit auf dem Pass liegen blieb.

Bild: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Badri Redha

Nutzung des Passes über die Jahrtausende

Die Ausrüstungsgegenstände aus der Frühbronzezeit sind bislang die ältesten Funde vom Pass. Dank systematischer Prospektion auf Berner Kantonsgebiet konnte in den vergangenen Jahren aus den abschmelzenden Eis- und Firnfeldern auch diverse jüngere Gegenstände geborgen werden: Neben römischen und neuzeitlichen Holzobjekten etwa mittelalterliche Dauben von Holzeimern und ein eisenzeitliches Gefäss mit Brandspuren, in dem vielleicht Glut transportiert wurde.

Die Gesamtheit dieser archäologischen Funde belegt eine kontinuierliche Nutzung des Übergangs zwischen Berner Oberland und Wallis. Zusammen mit der frühbronzezeitlichen Ausrüstung machen sie deutlich, dass der Lötschenpass seit mindestens 4000 Jahren von Jägern, Hirten und Händlern begangen wird.

Ein rasch verschwindendes Archiv

Die Fundstelle vom Lötschenpass zeigt exemplarisch, vor welchen Herausforderungen die Archäologie im alpinen Gebiet steht: Im Zuge der Klimaerwärmung und dem Verschwinden von Gletschern und Permafrost öffnen sich Fenster in unsere Vergangenheit, denn viele ihrer Zeugen liegen noch im Eis konserviert. Diese Fenster stehen aber nur eine kurze Zeit offen. Liegen die Fundobjekte erst einmal frei, zersetzen sich gerade Gegenstände aus Holz und Leder rasch.

Um dieses bedrohte Kulturgut erforschen und für die Nachwelt sichern zu können, ist der Archäologische Dienst auf Fundmeldungen und Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Vor der Bergung solcher Zufallsfunde sollten Fachleute des Archäologischen Dienstes Bern verständigt werden, denn die Fundumstände liefern weitere wichtige Informationen. Wie die Funde vom Lötschenpass zeigen, erlauben diese oft unscheinbaren Objekte wertvolle Einblicke in unsere Geschichte.

Artikelfoto: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Kathrin Glauser