Wanderfalke ist Vogel des Jahres 2018

Der Vogel des Jahres 2018 ist ein pfeilschneller Jäger. Mit bis zu 300 Stundenkilometern stürzt er sich im Flug auf seine Beute. Aber auch sonst ist der Wanderfalke ein Vogel der Superlative. Er kommt auf allen Kontinenten ausser der Antarktis vor und brütet sowohl an Felsen als auch mitten in Städten. Doch nun machen ihm neue Gefahren wie Vergiftungen, Windpärke und anderes zu schaffen - und die beeindruckende Vogelart braucht weiterhin einen rigorosen Schutz, damit sie eine Zukunft hat.

Der Wanderfalke ist das schnellste Tier der Welt. Mit atemberaubender Geschwindigkeit stürzt er sich auf andere Vögel, die er mit seinen Krallen packt und später an einem sicheren Ort verspeist. Sturzflüge mit über 250 Stundenkilometern vollführt das Männchen auch während des Balzfluges im Frühling. Kein Wunder, waren die Menschen schon in vorchristlicher Zeit vom Wanderfalken fasziniert, wie der falkenähnliche ägyptische Gott Horus zeigt.

Mit einer Flügelspannweite von bis zu 1,1 m und einer Länge von 40 bis 50 cm ist der Wanderfalke der grösste einheimische Falke. Das Weibchen ist etwas grösser als das Männchen. Der «Vogel des Jahres» hat wie andere Greifvögel extrem gute Augen und nadelscharfe Krallen. Er ist auf die Vogeljagd im Flug spezialisiert.

Kinderstube am Kühlturm

In der Schweiz brüten die meisten Wanderfalken in Felswänden im Mittelland und Jura. Wenige Paare haben ihren Brutplatz an hohen Gebäuden in Städten oder nutzen sogar Kühltürme von AKWs. Die Brutzeit beginnt mit der Balz, bei der neben den rasanten Balzflügen auch Beuteübergaben in der Luft stattfinden.

Ab Anfang März legt das Weibchen drei bis vier Eier in eine Nestmulde. Die Bebrütung erfolgt vorab durch das Weibchen; das Männchen geht auf die Jagd und versorgt die Partnerin mit Beute. Die Brutdauer beträgt rund vier Wochen. Nach dem Ausschlüpfen werden die Jungen während 36 bis 40 Tagen im Nest betreut. Dann fliegen sie zum ersten Mal aus und erlernen von den Eltern das Beuteschlagen. Im Hochsommer löst sich die Familie auf.

Bild: Martin Becker

Verheerende Wirkung eines Pestizids

Wanderfalken waren ab 1950 vom Pestizid DDT stark betroffen. Wegen des Gifts legten sie - wie andere Greifvögel - Eier mit zu dünnen Eischalen; mit der Folge, dass der Bruterfolg gegen Null sank. Auch die damals noch erlaubte Bejagung tat ihr Übriges. Aus vielen europäischen Ländern verschwand der Wanderfalke als Brutvogel. In der Schweiz konnten sich nur kleine Restbestände halten.

Die langsame Erholung begann nach dem Verbot von DDT in den Siebzigerjahren. Heute besiedelt der "Vogel des Jahres" wieder viele Gegenden Europas - ein Grosserfolg des internationalen Naturschutzes. In der Schweiz werden rund 300 Paare gezählt. Weltweit findet man die anpassungsfähige Art auf allen Kontinenten - ausser in der Antarktis. Gäbe es keine Bedrohungen durch Gift oder Jagd, wäre der Wanderfalke mit wenig zufrieden: Nötig ist ein störungsfreier Brutplatz, ausreichend Beute und freier Luftraum für die Jagd.

Bild: Hans Glader

Neue Bedrohungen

Nun aber drohen neue Gefahren: BirdLife Schweiz hat in den letzten Jahren über ein Dutzend Vergiftungsfälle registriert. Dabei versuchten gewisse Taubenzüchter Falken zu vergiften, indem sie ihre Tauben mit hochpotentem Gift präparierten. Das inzwischen berühmte Zürcher Wanderfalken-Weibchen, das in seinem Nest vor laufender Webcam starb, war nur eines der Opfer.

Bislang wurden zwei Züchter identifiziert verurteilt. Die Dunkelziffer dürfte jedoch gross sein - denn viele städtische Brutplätze von Wanderfalken sind verwaist und der Schweizer Bestand ist in den letzten Jahren um rund 15 Prozent gesunken. Hinzu kommen weitere Gefahren wie neue Windpärke, zunehmende Störungen an den Brutfelsen, unsichtbare Glasscheiben und weiteres.

BirdLife Schweiz setzt alles daran, dass der Wanderfalke in der Schweiz eine Zukunft hat. "Letzteres ist leider nicht selbstverständlich", erklärt Werner Müller, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz. "Es braucht einen dauernden Einsatz und einen rigorosen Schutz." Dazu gehört der Kampf gegen die Vergiftungen, der Einsatz für mehr Biodiversität im Siedlungsraum wie auch der ständige Einsatz gegen die schlimmsten Pestizide und anderen Umweltgifte. Diese Massnahmen kommen nicht nur dem Wanderfalken, sondern auch vielen anderen Arten zugute.

Artikelfoto: Christian Fosserat